Die Tatsache, dass die Norweger von Apoptygma Berzerk ihre Herbsttour 2008 durch deutsche Hallen zu einer späten Wintertour auf Anfang 2009 verschoben haben, deutete bereits erneut auf den geraumen Zeit in Anspruch nehmenden Perfektionismus des Frontmanns Stephan Groth hin. Ist die Band doch eindeutig seine eigene exklusive und kreative Kopfgeburt. Sein Baby, dass er – vergleichbar mit der Stellung Trent Reznors bei den Nine Inch Nails - nährt, großzieht und dem er in Personalunion die musikalische Richtung weist. Gerade diese zeigte beim letzten, kommerziell sehr erfolgreichem Album „You and me against the world“ überraschenderweise in eine deutlich rockigere Richtung, als man sie von den vermeintlichen Future Poppern gewohnt war. Was wird der clevere Mastermind Stephan Groth - dessen Kopf seit der letzten großen musikalischen Stiländerung parallel auch eine stark veränderte, androgyne, echt schwarz gefärbte Brian Molko-Gedächtnisfrisur ziert - diesmal vom musikalischen Stapel lassen? Ein Album, dass wieder in eine weniger rockige, da elektronische Zukunft führt? Oder wird ein noch erdigerer, gar metallischer Ansatz präferiert? Die dritte Option wäre, dass weiter auf dem Depeche Mode-meets -Placebo-Pfad, der zuletzt erfolgreich betreten wurde, gewandelt wird. Oder doch nicht? Oder auch nicht…? Fragen, über Fragen, die nach dieser kurzen Einleitung jetzt nicht lange auf ihre Beantwortung warten sollen. Hier ist sie… Um es auf den Punkt zu bringen: Apoptygma Berzerk scheinen jetzt dort angekommen, wo sie bzw. ihr musikalisch überaus potenter Erzeuger Stephan Groth schon immer hin wollten. Will sagen, dass der Sound sich zum letzten, bereits drei Jahre alten Chart-Breaker „You and me against the world“ nicht gravierend geändert hat, sondern soundtechnisch lediglich verfeinert wurde. Die Gitarren wurden also definitv nicht wieder mottenresistent eingepackt und die Sampler, Synthies – ob analog, digital oder gar virtuell - auch nicht krachend aus dem Studio-Fenster befördert! Vielmehr wird der Anteil der Elektronik bzw. der gezupften Saiten-Klänge je nach Stimmungslage des jeweiligen Songs auf sehr interessante Art und Weise variiert. Stehen elektronische Elemente im Vordergrund, werden die Gitarrenklänge lediglich verwandt, um die Songs organischer zu machen, sie ordentlich anzufetten. Bei anderen Stücken, die hingegen einen eher rockigen Aufbau haben, stehen dann wiederum die Klampfen im Vordergrund. Flirrende Samples und sprenkelnde Keyboardflächen verfeinern und garnieren das musikalische Gericht dann noch zusätzlich. Und was der alte Norweger Hr. Groth dem geneigtem Hörer hier schließlich serviert, ist wirklich angetan, den Konsumenten zu einem Genießer und Vielfraß werden zu lassen! Der gewiefte, alternative Pop-Musikant versteht einfach sein Handwerk und beherrscht die Kunst des kreativen Songwritings mittlerweile par excellence. Denn es sind wirklich richtig starke und attraktive Nummern, die auf Rocket Science durch den CD-Player rotieren. Fast durchgehend bieten sie einen sich stetig steigernden spannenden Song-Aufbau und vor allem geradezu hymnenhaft anmutende Refrains en masse. Audiophiles Viagra ist hier wirklich überflüssig, die Nackenhaare errigieren gerade bei großer Lautstärke ganz von alleine! Groth scheint seine große Songwriter-Stärke nach der natürlichen Metamorphose zum Elektro-Rocker jetzt erst richtig und konsequent ausleben zu können. Selten hat man in dieser Sparte ein Album gehört, dass eine derart anziehende, positive Grundstimmung aufbaut. „Rocket Science“ macht im wahrsten Sinne des Worte Laune, beizeiten initiiert die Scheibe beim Abhören gar eine regelrechte Lebenslust (vor allem auf der Autobahn, hab es im Selbstversuch ausprobiert)! Kurzum: Apoptygma Berzerk haben wahrlich nichts falsch gemacht – im Gegentum: „er“ hat`s sogar sehr gut gemacht! Denn mit Rocket Science wird ein ziemlicher Kracher, ein wahres Qualitätsprodukt abgeliefert. Stark verkaufsfördernd dürfte hinzukommen, dass das Album schlicht und ergreifend eine ziemlich große potenzielle Zielgruppe anspricht. Bis auf eingefleischte EBMler, Hardcore- oder Metal-Fans dürfte dieser Sound eigentlich fast jeden Musikfreund ansprechen und bei weiten nicht nur Freunde so genannter alternativer Klänge. Fazit: Wenn das Teil nicht richtig chartet, fress ich einen schwedischen Echtholz-Besenstil kreuz und quer! Handgemacht, oder aus Massenproduktion von Ikea. So was von egal.