Eigentlich hatte Anne Clark mit dem Musikbusiness abgeschlossen und sich ganz ihrer ökologischen Arbeit verschrieben. Ein neues Album? Kein Gedanke. Oder vielleicht doch? Wer weiß... Immerhin hat es ein in Deutschland lebender amerikanischer Gitarrist namens Jeff Aug geschafft, in Anne Clark wieder einen Funken Lust zu wecken, künstlerisch tätig zu werden. Erstes Ergebnis dieser Zusammenarbeit sollte die letztjährige Acoustic-Tour zusammen mit ebenjenem Gitarristen, seinem Partner im Duo Floating Stone, dem Perkussionisten Niko Lai, dem Pianisten Murat Parlak und dem Cellisten Jann Michael Engel sein.

Daß Anne Clark von musikalischen Experimenten und alternativen Präsentationen ihrer Werke stets leicht zu begeistern war, wurde bereits in den frühen 90gern deutlich, als ihre Werke zunehmend mit klassischer Instrumentierung und akustisch arrangierten Songs aufwarteten. Höhepunkt in dieser Phase war sicherlich die 93ger Akustik Tour, dokumentiert im Live Mitschnitt eines Konzertes in der Berliner Passionskirche: "Psychometry". Schon da war es eindrucksvoll bis ungewöhnlich, ihre hauptsächlich auf Elektronik basierenden Klassiker im nahezu rein klassischen Gewand zu erleben. Auch von der letztjährigen Tour existiert nun ein Live-Mitschnitt mit dem vielsagenden Titel "From The Heart". Und man merkt von den ersten Tönen an, daß wirklich alles von Herzen kommt. Immer noch. Immer noch hat Anne Clarks Stimme eine Präsenz und Durchsetzungsfähigkeit, die ihresgleichen sucht. Was sie vorträgt, gerät zum Absolut und der Hörer kann sich der Wirkung ihrer Stimme nur schwer entziehen. Geschweige dem, was sie (immer noch!) zu sagen hat.

Kein Wunder, daß der Höhepunkt im letzten (nicht auf der Tracklist genannten) Song liegt: "Abuse". Mir läuft beim Hören immer wieder ein Schauer über den Rücken. Genauso hörenswert: "Sleeper In Metropolis" und "Our Darkness" - ihre Botschaft immer noch so aktuell wie zum Zeitpunkt ihrer Entstehung. Was einen überrascht, ist das jazzige Grundgefühl vieler Arrangements, das den Songs aber überraschende neue Wirkungen verleiht - als Beispiel sei hier "If I Could" genannt, aber auch die Reprise von "Abuse" fällt hier drunter. Anne Clarks Interpretationen von Rilke Gedichten ("To Music", "Autumn Day" und "The Panther") von ihrem Gemeinschaftsprojekt mit Martyn Bates, "Just After Sunset", wirken hier übrigens wesentlich ausgewogener und entfalten einen unaufdringlichen Charme.

Interessant insofern, als ich mit der eigentlichen CD nie so recht warm werden konnte. Die Musik und die Arrangements mögen sicherlich nicht jedem zu 100% gefallen und auch mir ist das Wechselspiel Anne Clark - Elektronik lieber, da es die Wirkung ihrer Auftritte, ihrer Stimme und ihrer Botschaft noch mehr verstärkt. Aber man kann sich auch nicht dem Charme der akustischen Inszenierung entziehen. Die Botschaft wird nicht verändert, nur scheint sie etwas sanfter... Wer die Gelegenheit hat, Anne Clark auf ihrer diesjährigen Tour mit gleichem Konzept live zu erleben, sollte es tun.