Anhedonia. Medizinische Insider werden hoffen, dass der Name nicht Programm ist, der Laie wird den Projekt-Namen sowieso nur als Kunstwort wahrnehmen. Die Unfähigkeit, für sich selbst Freude aus jeglichen Alltagsaktivitäten zu erfahren (wird auch beim Titel "Anhedonia" selbst so wiedergegeben) lässt sich aber dennoch in der folgenden musikalischen Darbietung "Ontology" des tschechischen Ein-Mann-Projekts wiederfinden. Düster-trüber IDM-Ambient, der dem Namen alle Ehre macht und doch auch die hellen Momente zeigt, also die, die "normale" Menschen mit Freude verbinden. Der 22-jährige Vojtech Smetana versteht sich unter anderem als digitaler Müllsammler, dessen gesammeltes Ergebnis er in rhythmischen Code transferiert, damit es verständlich wird. In dem Müll finden sich z.B. Noise-Anteile und verzerrte Drumspuren, die mehr oder weniger offensichtlich die leicht dreckig-düstere Seite und somit die fehlende Freude hörbar in den Vordergrund drängen. Dazu gibt es noch einzeln eingestreute Samples, langgezogene Flächen aber auch wunderbar melodische Verirrungen, die immer mit wenig Überladung arrangiert wurden; so entsteht leicht vertrackter Minimal-Sound, der mit elektronischer Klarheit und Kraft die Stimmung klever nach unten zieht und die Nachdenklichkeit anregt. Die Zusammenarbeiten und Anregungen durch und mit den Labelkollegen Disharmony bzw. Doctorofmind und Unicode wirken durch ihre musikalische Verbundenheit integrierend statt als Fremdkörper. So wirkt das Erscheinungsbild einheitlich und erinnerte merkwürdigerweise gleich von Beginn an an die Space Night von BR3, zumindest was ich von früher kenne, als noch öfter der Weltraum mit solchem kühlen Sound in Verbindung gebracht wurde. "Ontology" ist nach "Destructive Forces" das zweite Album von Anhedonia. Und wenn man bedenkt, dass dieser Typ erst 22 Jahre alt ist, möchte man nicht ausschließen, das da was wirklich Großes heranwachsen könnte, was den Spaß an komplexer elektronischer Musik - sicherlich fernab des Mainstreams - auf ein "Großes-Kino-Level" schieben könnte. Für den Kopf ist die Musik sowieso und durch die Geschichte, die dabei unweigerlich zwischen den Ohren entsteht, ist die Umsetzung zu einem Blockbuster vielleicht bereits mit dem nächsten Album erreicht. Denn schon dieser Geheimtipp läuft trotz seiner "Nische" im heimischen Player in beachtlicher Rotation!