Mit Musik und Klangkunst ist es nicht immer einfach. Als ich das erste mal das Album 'The hunters in the snow - a contemplation on Pieter Bruegel's Series of the Season' in den Händen hielt verliebte ich mich in die Idee der musikalischen Annäherung aus dem Bereich Ambient/Industrial in Richtung Bruegels Zyklus der Jahreszeiten. Auch die wundervolle Verpackung, ein wertiges Digipack mit Prägung und haptisch angenehmen Material aus dem Hause AufAbwegen macht schon einiges her. Jedoch schreckte mich zugegebenermaßen der Name Anemone Tube. Nein, ich halte Stefan Hanser und sein vor über 20 Jahren gestartetes Projekt nicht für schlecht, jedoch findet sein musikalisches Schaffen auf einer Ebene statt, auf der ich mich nicht wohlfühle - oft scheint es mir, dass weniger die Klangkunst ansich als mehr die transportierten Ansätze religiöser und philosophischer Natur für ihm im Zentrum seines musikalischen Strebens stehen. Mein letzter Kontakt, 2017 mit 'The three worlds' ist sicherlich ein Freudenfest für Fans, für mich aber trotz durchaus bestehendem Interesse am Genre wenig reizvoll. Da gerade bei dieser Musikrichtung gilt, was immer Bestand haben sollte, nämlich dass Gefallen rein subjektiv ist, kann ich im Folgenden also nur feststellen, was ich höre und wie es mir damit ging:

Bruegel, Meister der flämischen Malerei der Renaissance, hatte die fünf Gemälde vermutlich 1565 als Auftragsarbeit angefertigt, also recht spät im Schaffen des Künstlers, der es zu seiner Zeit wie kein zweiter verstand, vordergründig das bäuerliche Leben im Herzogtum Brabant darzustellen und gleichzeitig auf der Metaebene elementarere Fragen aufzuzeigen. Das Album der drei Projekte Anemone Tube, Jarl und Monocube wagt den Versuch, sich der sehr natürlichen, klassichen Kunst des Malers mit wenig natürlichen Sounds anzunähern - ein mehr als interessantes Unterfangen, kann man doch beim ersten Hinhören nicht direkt eine Verbindung sehen/hören. Es lohnt sich aber wirklich, die einzelnen Motive am besten in Form eines großformatigen Kunstdrucks zu betrachten, während man dem Album am besten auf Kopfhörern genießt, denn es entstehen so Verknüpfungspunkte und eine in sich schlüssige Atmosphäre, die auf den ersten Blick so nicht vorhanden zu sein scheint. 'Der düstere Tag' ist ein meisterliches Stück verhaltener Finsternis, das bedrohliche Moment des Gemäldes wird ohne Not eher im Stillen und Verhaltenen wiedergegeben. Die "Heuernte" wirkt musikalisch bedrohlicher, als das Motiv ansich vermuten lässt. Gerade die stark verhallten Arbeitsgeräusche und die verzerrten Stimmfragmente lassen vermuten, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. In den neun Minuten Spielzeit wird die Lage immer angespannter - hier fällt es mir ganz im Gegensatz zu "The gloomy day" schwer, Gemälde und Vertonung in Einklang zu bekommen. Ähnlich verhält es sich bei der "Kornernte", beim reinen Lauschen habe ich eher den Verdacht, dass die "Children of the corn" aus Stephen Kings Kurzroman zwischen den Ähren lauern, jemand mal dringen kontrollieren sollte, was genau die Erntehelfer da im Schatten des Baumes essen oder ob der einzeln liegende Mann wirklich nur ein Nickerchen unter dem Baum hält. "Die Heimkehr der Herde" fand in meinen Ohren wieder eine sehr stimmige Vertonung, die Verbindung aus der sanften Darstellung des Viehtriebs und der bedrohlichen Wolkenformation im Hintergrund wird in eine musikalisch zwielichtige Stimmung zwischen Besinnung und drohender Gefahr getaucht - ganz großes Kopfkino. Und schließlich das monumentale, fast 18 minütige Titelstück zum Gemälde "Die Jäger im Schnee" - hier gelingt es musikalisch vor allem zu Beginn, meinen Eindruck der Darstellung einer Winterszene einzufangen. Das einsame Hallen der zweiten Hälfte hingegen kann ich nur finden, wenn ich das dörfliche Idyll verlasse und in die Berge im Hintergrund wandere. Ob dies die Intension der Schaffenden war, vermag ich nicht zu sagen, aber es stützt meinen ambivalenten Eindruck vom Gelingen des Albums.

Ich fühle mich nicht an jeder Stelle auf einer Ebene mit Anemone Tube, Jarl und Monocube, fast die Hälfte des Albums passt nicht zu meinem EIndruck der Gemälde. Jedoch gerade bei "The gloomy day" und "The return of the herde" werde ich Dank der hervorragenden klanglichen Untermalung quasi in die Motive gezogen. Und da ich noch einmal festhalten muss, dass gerade in diesem Genre Eindruck und Gefallen subjektive Momentaufnahmen sind kann ich schlussendlich allen Freunden von Ambient und Kunst nur dringendst ein wundervoll gestaltetes Album mit wunderbarer Idee, schöner Motivauswahl und qualitativ hochwertiger, wenn auch nicht unbedingt motivisch auf der Hand liegender Klangkunst empfehlen.