Als And One vor einigen Monaten mit "Bad Girl" einen ersten Vorgeschmack auf das Album "Achtung 80" bei Youtube vorab veröffentlichten, sparten etliche Hörer nicht mit Kritik: "Modern Talking lässt grüßen, gleich kommt Dieter Bohlen um die Ecke" oder "Jetzt kupfern die schon bei abgenudelten 80s Hits ab", waren noch die harmlosesten Kommentare, die man bei Facebook und Co. nachlesen konnte. Entsprechend viel Skepsis schlug Steve Naghavi und Nico Wieditz, hauptverantwortlich für dieses Drittel der Magnet-Trilogie, entgegen, verbunden mit der Befürchtung, And One würden jetzt endgültig zur Speerspitze zuckersüßer Synthiepop-Kaufhausmusikkultur avancieren. Doch diese Berufsnörgler übersahen wissentlich, dass die Berliner auf ihren vorherigen Alben immer mal wieder das "ungruftige" (Zitat des Norddeutschen Rundfunks) Popgenre bedienten, ohne sich dabei selbst untreu zu werden. 

Nette Songs wie "Save the hate" (Tanzomat) oder "Love you to the end" (Bodypop) sind nur zwei Beispiele zur Verifizierung der These. Deshalb durfte man ohne Gewissensbisse gespannt auf das 80er Album sein und den Notizblock zur Protokollierung sämtlicher offensichtlicher Reminiszenzen an Hitproduzenten zücken. Wieviel Bohlen steckt also in "Achtung 80"? Um die Antwort vorwegzunehmen - eigentlich gar keiner. Selbst mit viel bösem Willen lassen sich auch Thomas Anders und Nora nicht heraushören. Stattdessen bedient sich And One der eigenen Vergangenheit, als Bezugsrahmen sei das Virgin Superstar-Album aus dem Jahre 2000 genannt. Allerdings ist die Produktion heuer deutlich konturenstärker ausgefallen, das matschige Klangbild des inoffiziellen Vorgängers wird glücklicherweise nicht kopiert. Zudem kommen bei "Bad Girls" und "The Fighter" Italo-Disco-Einflüsse zum Tragen, die man bis dato im And One-Kosmos noch nicht zu hören vermochte. Natürlich gibt es mit "Let's get higher" oder "Girls on Girls" durchaus belanglose Füller, die dem 45-minütigen Hörgenuss leicht abträglich sind, aber 80% der CD wissen auf ihre jeweils eigene Art zu überzeugen - falls man mit dem Steve-typischen Humor klarkommt und mit bisweilen pubertär-sexualisierten Texten keine Probleme hat. 

Auf drei Highlights möchte der Rezensent an dieser Stelle noch gesondert eingehen. "Love trashing Girls" ist ein klassischer And One-Song, der mit einer einprägsamen Melodie aufwartet und bereits nach wenigen Sekunden zum entspannten Mitsummen einlädt. "My Angel" mögen wenige Insider bereits kennen - das Lied basiert auf dem Track "Crying Angel" des Debütalbums der Band "Condition One", welche von Nico Wieditz in den 90er Jahren gegründet wurde. Damals komponierte Nico einige bärenstarke Synthpop-Songs, die um Elemente der Klassik angereichert wurden und von Steve im Booklet der Virgin Superstar neben Robbie Williams als eine Inspirationsquelle genannt wurden. Deshalb ist es auch kein Wunder, dass ein weiteres Condition One-Original recycelt wurde: "Somebody's Song" ist eine gefühlvolle Ballade, die von Nico Wieditz vor 15 Jahren mindestens genauso intensiv gesungen wurde wie heute. Wer neben And One noch Zeit übrig hat, sollte unbedingt nach "Mirror of Liberation", dem Album von "Condition One" Ausschau halten. Dort kriegt man weitere Beweise geliefert, dass Nico ein ganz hervorragender Komponist, Sänger und Musiker ist. In der Zwischenzeit tut es jedoch auch "Achtung 80", das in sich nicht ganz so konsistent wie "Propeller" ist, dank drei echter Hits und mehrerer guter Melodien aber auf gute 4,5 Punkte kommt.