Der Herbst kann kommen! Die Zeit ist reif für den Herbst, für welkende Blätter, nasskalte Winde und kuschelige Abende im trauten Heim. Dazu noch der perfekte Soundtrack und fertig ist der Wohlfühlherbst. Ein ganz heißer Kandidat, auf das offizielle Herbstalbum im Jahr 2007, liegt mir nun in den Ohren: Amorphis mit ihrer neuen Scheibe „Silent Waters“. Doch noch vor einigen Jahren schien der Metal-Stern für die Finnen zu sinken. Nach erfolgreichen Jahren in den 90ern, in denen sie als Hoffnungsträger der ergrauten Metalszene gefeiert wurden, indem sie als Erste, harten aber melodischen Death-Metal mit folkloristischen Elementen kombinierten, trennten sie sich von ihren markanten Growls und bescherten den Fans mit „Am Universum“ (2001) eine schwere Pille, die sich schon ansatzweiße in popigeren Gefilden aufhielt. Musikalisch zwar über jeden Zweifel erhaben, trennten sich doch einige Wege zwischen der Band und ihren treuen Fans. Im Jahr 2004 schien ein neues Kapitel der Band anzubrechen. Nach neun Jahren stieg Sänger Pasi Koskinen aus und hinterließ eine enorme Lücke, die, so waren sich alle einig, vielleicht nie ganz geschlossen werden würde. Doch es soll noch Wunder geben, nach langer Suche entschied sich die Band im Jahr 2005 für Tomi Joutsen, was als wahrer Glücksgriff gewertet werden konnte. Schon auf dem ersten Album mit ihm, namens „Eclipse“, überzeugte er alle Kritiker und Fans, in dem er neben prächtigen cleanen Vocals, erstklassige Growls zeigte, welche ihre Rückkehr in den Sound Amorphis feierten… Heute schreiben wir 2007 und „Silent waters“ ist auf dem Markt – schauen wir mal rein, in das mittlerweile achte Album der Finnen. Textlich lässt man nicht viel anbrennen, dreht es sich wie bereits auf vielen Vorgängeralben vor allem um die Kalevala, das bedeutendste Epos der finnischen Mythologie. Stürmisch und wild beginnt der Opener, der allen Angsthasen, vor einem erneuten Rückfall hin zum Pop, die Luft aus den Ohren bläst. Gekonnt fasst „Weaving The Incantation” alle markante Merkmale der Finnen zusammen, der perfekte Mix aus cleanen und grunzigem Gesang, melodischen und messerscharfe nGitarrenriffs, harten und weichen Momente. Doch es wird noch besser, „A Servant“ – mehr Speed, mehr Gegrunze, abgerundet mit einem druckvollen und dennoch leicht melancholischen Refrain (wer jetzt an Emo denkt, kann gleich verschwinden ;-)). Es folgt die Single „Silent Waters“, welche es in Finnland bis auf Platz 2 der Charts geschafft hat. Warum fragt ihr? Dann schaut euch einfach das Video dazu an. Nach dem abwechslungsreichen (mit Loops und leichtem Stampfen daherkommenden) „Towards and against“ eröffnen verspielte Keyboardsounds „I of crimson blood“ – ein großes Stück Musik. Melodiös, trotzdem enorm druckvoll, mit geilen Gitarrensoli – Amorphis in Bestform. „Her alone“, mit seinen genialen Keyboardmelodien, nimmt ein wenig die Luft raus, genau richtig um im Schlussdrittel ordentlich Gas zu geben. Doch „Enigma“ hält die Spannung auf den nächsten Kracher oben, denn hier werden old-school-mäßig die Akustikgitarren aus dem Schrank geholt und sich den guten alten Folk-Zeiten gewidmet – ein Leckerbissen für die Fans der ersten Stunde! Doch nun ist es soweit „Shaman“: Geschwindigkeit, Melodie, Atmosphäre, alles gepaart in einem Song. Amorphis vom Anfang bis zum Ende – typischer geht es kaum noch. Wieder ein Schritt zurück in die Anfangstage schickt uns „The white swan“. Einmal mehr zeigt Sänger Tomi sein schier unerschöpfliches Potenzial – immer wieder wechselt er die Stimmlagen, vom tiefsten Grunzen, über räudiges Geschreie bis hin zu feinen cleanen Vocals. Respekt! Der letzte Song „Black River“ war zugleich der erste, den ich von diesem Album gehört hab. Diesen Moment erlebte ich Hoch zu Luft, denn ich befand mich in einem Flugzeug und überflog das Mittelmeer. Die Sonne sagte langsam gute Nacht und der Mond zeigte seine volle Pracht – und dazu diese Ballade! Ich glaube, bevor ich die nächsten Songs mir zur Gemüte führte, vergingen unvergessliche 30 Minuten. Einen schöneren Einstieg bzw. Ausstieg konnte dieser Scheibe nicht passieren. Mit unglaublich viel Emotion, wunderschönen Keyboardmelodien, ergreifenden Gitarrensoli und einer Gänsehaut erzeugenden Stimme verabschieden sich Amorphis im großen Stil. Fazit: Vorbei sind endgültig die Zeiten, als ich zwischen Amorphis und Oasis mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede erkannte. Sänger Tomi Joutsen hat für frischen Wind und alte Attitüde gesorgt – ganz zum Wohlgefallen (fast) aller Fans. Wer „Eclipse“ schon stark fand, kann beim Kauf dieser Scheibe nichts falsch machen. Ein bärenstarkes Album, das zurecht am Ende des Jahres, bei den Abstimmungen zum Album des Jahres, ganz oben mitmischen wird. Anspieltipp: ALLE!