Popsongs aus Moldawien gehörten bislang nicht zu den Exportschlagern auf dem Weltmarkt des gepflegten Musizierens. Der einzig mir bekannte gelungene Versuch des noch jungen Staates, eine breitere Hörerschaft auf dem europäischen Kontinent zu erschließen, glückte vor zwei Jahren eher unfreiwillig. Das unsagbar komische Lied „Run away“ des „SunStroke Project“ landete beim Eurovision Song Contest 2010 zwar abgeschlagen im hinteren Mittelfeld, doch der unter Einsatz aller verfügbaren Extremitäten performende Saxophonist, bescherte der schmissigen Dance-Nummer schließlich Kultstatus für die Ewigkeit. Über 10 Millionen „Views“ auf Youtube und unzählige Parodien legen ein beeindruckendes Zeugnis von der Weltberühmtheit des „Epic Sax Guy“ ab. Auf eine ähnlich hohe Zahl an klickwütigen Saxophonfetischisten kann das Ein-Mann-Projekt „Alpha Point“ sicherlich nicht hoffen. Allerdings reichte es im vergangenen Jahr zu einem sehr souverän heraus geträllerten 1. Platz beim Sonic Seducer „Battle of the bands“ – Wettbewerb, dessen Leserwertung vom A+R Manager des bekannten Szene-Labels Out of Line bestätigt wurde, indem er Alpha Point-Mastermind Alexander Gladky einen Plattenvertrag für das mittlerweile vorliegende Debütalbum „High like the angels“ anbot. Berufszyniker mögen mäkeln, der Sieg beim „Battle of the bands“ sei der Tatsache geschuldet, dass viele Wahlberechtigte beim Sichten der alphabetisch geordneten MP3-Songs aufgrund trommelfleisch-zersetzender Hörbeiträge nur bis Buchstabe „B“ vorgedrungen seien und sich anschließend für das bis dato am Wenigsten nervige Lied entschieden haben, aber dieser gewagten Theorie soll an dieser Stelle zugunsten einer objektiven Bestandsaufnahme nicht weiter nachgegangen werden. Das Intro des 12-Stücke umfassenden Longplayers weckt auf jeden Fall die Neugierde beim aufgeschlossenen Hörer. Wie ein Soundtrack aus dem Film „Matrix“ oder ähnlich futuresk überladenen Sci-Fi-Dramen, läutet ein schleppender Break-Beat, zersetzt von mysteriösen Synthiespielereien, den ersten „richtigen“ Song „Things I Do“ ein. Hier regiert noch das Genre „Pop“, was nicht zuletzt am absoluten Ohrwurmrefrain liegt: „I can explain the things I do, if you just care to understand...“ Dabei sind Erklärungen für das folgende „High Like The Angels“ gar nicht nötig. Der Siegersong des famosen „Battles“ ist ein ungewöhnlicher Future Pop Song, da er nicht im einfältigen 4/4 Takt vor sich hin blubbert, sondern mit Tempowechseln, Industrialeinflüssen und sehr eingängigen Gesangspassagen eine unverwechselbare Atmosphäre kreiert. Gelungen! Auch die Nummer 4, das fetzende „Emptiness Within“, vermag insbesondere Freunde krachender industrieller Gitarren und stampfender Rhythmik zu begeistern. Mir ist es ein wenig „over the top“, doch das erste Albumdrittel erhält aufgrund seiner kompositorischen Vielseitigkeit die Höchstwertung von 6 Sternen. Im weiteren Verlauf kann das eingangs konstatierte hohe Niveau leider nicht gehalten werden. Stilistisch macht Mr. Gladky nichts falsch, die bis dato zitierten Einflüsse von Synth- über Future-Pop bis hin zu Electro, EBM und Industrial bilden weiterhin das Fundament, aus dem dann u.a. so schöne Balladen wie „Wind“ erwachsen. Im Mittelteil hat die CD jedoch mit ersten Durchhängern zu kämpfen, die Langeweile zieht sich von Track 7 („Alive“) bis Track 10 („I don’t want to fall in love with you“) hindurch und wird erst wieder vom abschließenden „Feel The Same“ durchbrochen. Schade, denn die anfangs erspielte Topwertung kann auf diese Weise nicht mehr gehalten werden. Dennoch empfehle ich den Erwerb dieses Albums allen Freunden eines breit gefächerten Electro-Genre-Mixes und vor allem jenen Freaks, die nach 100x „Epic Sax Guy“ in Endlosschleife mal wieder richtige Musik hören wollen.