Es gab einmal eine Zeit – nennen wir sie die 80er – in der Sängerinnen an ihrer Stimme und nicht an ihrer Fähigkeit, halbnackt durch Videoclips zu hüpfen, gemessen wurden. Zu dieser Zeit, Anfang 1982, tat sich eine bis dahin unbekannte junge Dame namens Alison Moyet mit einen schon bekannteren Keyboarder namens Vince Clarke, kurz zuvor ausgestiegen bei Depeche Mode, zusammen und Yazoo war geboren. Bereits mit ihrer ersten Single „Only You“ konnten die beiden auf Platz 2 der britischen Charts landen und auch Titel wie „Don’t Go“ und „Nobody’s Diary“ waren erfolgreich, bevor 1983 das Aus kam. Mit „Alf“ veröffentlichte Alison Moyet dann 1984 ihre erste Solo-LP, in Europa ebenfalls ein Chartstürmer mit 3 Top-20 Hits. Warum ich ausgerechnet „Alf“ von Alison Moyet als meinen ersten Beitrag für unsere Rubrik Lang-spiel-platten ausgewählt habe ? Nun, zum einen aus genau oben genanntem Grund, weil leider bezweifelt werden darf, dass Alison Moyet mit ihrem damaligen Aussehen im heutigen Zeitalter der Popstars- und Magersucht-Model-Shows mit diesem Album die selben Chartserfolge hätte feiern können, zum anderen fasziniert mich ihre einzigartig warme Stimme nach wie vor. Versteckte sie sich auf den Yazoo-Alben ein bisschen hinter Clarke’s Synthesizern, gab ihr die Solo-Karriere endlich die Möglichkeit, diese zur vollen Entfaltung zu bringen und auch andere Stile einzuflechten. So sind zwar die meisten Songs, wie „Love Resurrection“ oder „Honey For The Bees“ noch vom Synthie-Pop der 80er geprägt, aber „All Cried Out“, das wohl bekannteste Stück, weist deutliche Soul-Anleihen auf, die vom schwungvollen „Money Mile“ und vom poppigen „Twisting the knife“ wieder relativiert werden. Mit „Steal Me Blind“ wagt Alison gar einen Schritt in Richtung Blues, der ihr ebenfalls gut zu Gesicht steht. Nicht umsonst wandte sie sich 1985 dem Jazz zu, tourte mit John Altman und konnte mit dem Cover "That Ole Devil Called Love" von Billie Holiday erneut in den Top-Ten landen – aber das nur am Rande. Meine persönlichen Favoriten des Albums sind die langsamen Titel. Beim melancholischen „For You Only“ bekomme ich wieder die selbe Gänsehaut wie früher und „Where Hides Sleep“ war seinerzeit und ist auch heute noch für mich eine der schönsten Soul-Pop-Balladen der 80er. Na, und einen Track wie „Invisible“ braucht man wohl nicht extra hervorzuheben, oder ? Zugegeben, die „Alf“ habe ich viel zu lange nicht mehr angehört, nun stelle ich beim Schreiben dieser Rezension fest, dass mich die Songs erneut gefangen nehmen. Und während „All Cried Out“ aus den Lautsprechern schallt, versuche ich verzweifelt, die wirklich unterirdische Coverversion der No Angels von 2002 zu verdrängen. Was bin ich froh, meine Teenager-Jahre in einer Dekade erlebt zu haben, in der anspruchsvolle Musik und kommerzieller Erfolg noch keinen Widerspruch darstellten ! Kleine Anmerkung: Da ich bezüglich dieser LP richtig sentimental werde, verzichte ich mangels Objektivität auf eine Sterne-Bewertung ;-)