Vor 17 Jahren konnten wir Zeuge der "Hexerei im Zwielicht der Finsternis" werden. Das Duo Aghast und ihr einziges offizielles Tondokument sollte nie ein großes Publikum erreichen, wohl aber waren viele derjenigen, die Zeuge wurden, noch lange in Bann gezogen. Seitdem hatte eine der beiden Musikerinnen viele Wandlungen vollzogen: Nebelhexe, Andrea "Nebel" Haugen, Nebelhexë und nun Andrea Nebel. Gut, namenstechnisch nicht unbedingt Welten, aber die Musik, die Frau Haugen über die Jahre veröffentlichte unterschied sich ein ums andere Mal: Aghast war düster mystischer RitualAmbient, das nachfolgende und vermarktungstechnisch wohl erfolgreichste Projekt Hagalaz'Rundeance keltischer Folk (mit 3 in trancigere Gefilde vorstoßenden Remixen). Anschließend erschienen mit Nebelhexë 3 Alben, die zwischen Goth Rock und Dark Wave pendelten. Im letzten Jahr erschien schließlich eine Spoken Word Performance unter dem Banner Andrea Nebel mit getragen-ruhiger Hintergrunduntermalung. Und nun kehrt sie sozusagen "Heim" in die Welt der düster-rituellen Musik, Heim in das Aghast Manor. Das mit 35 Minuten leider sehr kurz geratene Album ist dabei eine wohltuende Gedankenreise fern der Realität. Melancholische Melodien irgendwo zwischen NeoKlassik (inklusiver martieller Trommeln), Ambient und Darkwave bilden das Fundament, über dem Haugens einzigartiger und liebgewonnener Gesang thront. Die einzelnen Lieder sind dabei ungemein abwechslungreich und zeigen, dass diese Spielwiese der Musikerin so viel mehr liegt als die rockigen Gefilde (gerade die letzten beiden Nebelhexë Alben waren leider eher durchschnittlich). Nach dem Intro "Playtime", das genau so auf "Hexerei im Zwielicht der Finsternis" hätte Platz finden können, folgt "Decademons". Droneartige Soundwände, Trommeleinsatz, Geräusche aus der elektronischen Tanzmusik und eine getragene Melodie – sehr gelungen und drückend. Danach kommt Gruselflair auf mit einer wunderbaren Pianomelodie und irrem Lachen. Die Nonne von St. Claire wird von einer nach Beschwörung klingenden Orgelmelodie begleitet, "cross the bridge..." klingt schwer nach Ambient, ist aber denoch streng einer Melodie unterzogen und "La petit mort" erinnert melodisch ein klein wenig an Hagalaz'Runedance bei gleichzeitigem deutlichen Keyboardeinsatz. In jedem einzelnen Track finden wir Frau Haugens wundervolle Stimme. Mal sprechend, mal singend, mal verängstigt, mal kräftig. Für mich immer wieder eine Freude, denn ihr Gesang ist ehrlich und schön. Das gesamte Album ist durchweg gelungen, spannend und macht den einzigen Kritik deswegen umso erdrückender: Es ist viel zu schnell vorbei. Gerne hätten die einzelnen Lieder doppelt so lang sein können, denn so enden sie meist, wenn man sich gerade vollends in die Stimmung des jeweiligen Tracks hineingesteigert hat. Was für eine schöne Überraschung, was für ein Geheimtip für all diejenigen, die Frau Haugens Werdegang immer wieder gerne begleitet haben. Sicherlich ist für Einsteiger der Weg über Hagalaz'Runedance und gerade dem unglaublichen letzten Album "Frigga's web" wesentlich geeigneter. Wer aber mystisch-verträumter Gruselstimmung und am Keyboard erzeugter atmosphärischer Musik etwas abgewinnen kann, der sollte zumindest einmal einen aufmerksamen Hördurchlauf starten.