Es ist Sommer, die Sonne funkelt durch grüne Blätter und jeder Weg wird zu einem Spaziergang – man saugt die Natur in sich auf, macht gerne Umwege über Wiesen und genießt ruhige Momente und das eigene Bewußtsein. Wenn meine Review so beginnt, weiß wohl jeder, daß die CD, die ich hier bespreche weder Hellectro noch andere düstere extreme Musik enthält – außer.... extrem schöne Musik. Agalloch haben in ihrer 12jährigen Bandgeschichte immer wieder Wandlungen durchzogen, schwankten zwischen Black Metal, Rock, Folk und Ambient und verbanden diese Elemente wie kaum eine andere Band: Besonders ihr 2002 erschienenes Album „The Mantle“ mit dem sie auch ein größeres Publikum erobern konnten, schuf dabei eine fast schon magische Stimmung und und ich empfehlte jedem, meine Review zum Album zu lesen und vor allem die CD zu kaufen und lieben zu lernen. Neben ihren drei bisherigen Alben „Pale Folklore“, „The Mantle“ und „Ashes against the grain“ veröffentlichte die Band aus Portland, Oregon, über die Jahre 5 Demo's, EP's oder Splits die alle meist einer der Musikrichtungen besonderes Augenmerk schenkten. Und nun erschien mit der „White EP“ ein kleines Folk/Ambient Juwel, daß in jedem Freund der akustischen Gitarre ein wohliges Gefühl wecken wird. Mit einer halben Stunde Dauer hat die CD dabei fast schon Albumausmaße - eine sehr positive Entwicklung, waren doch die bisherigen Mini-Veröffentlichungen relativ kurz gehalten (was den Eindruck immer wieder trübte). Sommer. Daß mein Einleitungssatz so positiv und harmonisch formuliert ist und der Name „White EP“ lassen es bereits vermuten: von der sanften Schwermütigkeit und Melancholie der Alben ist eher wenig zu spüren – so beginnt „The Isle of Summer“ mit Kinderstimmen, die sehr bestimmt „We carry death out of the village“ rufen. Die Akustikgitarre setzt ein und man fühlt sich wie bei einem entspannten sommerlichen Picknick in einem Kornfeld.... Mist....., das hat wirklich nichts mit irgendwelchen Blödelkönigen von Malle zu tun... Kornfelder gab es auch schon vorher und diese Atmosphäre, das Rauschen der trockenen Ären und die ganz besondere Stimmung, werden in der Melodie eingefangen. Leise und nur vereinzelte E-Gitarrentöne verstärken das Wohlgefühl dieser rein instrumentalen Nummer und die ambientartigen Töne gegen Ende des Liedes verstören fast ein wenig. „Birch black“ folgt und zur E- und Akustikgitarre gesellen sich nun auch Trommeln, E-Bass und Keybord – alles ist aber weit hinter die Gitarren gerückt, die beim Hörer eine Sehnsucht und den Drang wecken aufzuspringen und loszuwandern (und die Musik mitzunehmen, versteht sich). Das anschließende „Hollow Stone“ ist der einzige Song, der etwas aus dem Rahmen fällt der nur aus Ambient-Flächen, leisen Chören und seltenen, gefadeten Samples besteht und nach dem aufrüttelnden „Birch Black“ wieder etwas einlullt. Die Stimmung des Liedes ist eher düster und die Samples (Babyschreien und eine undeutliche Frauenstimme) beunruhigend. Mit Wasserrauschen, Hörnern und Pauken beginnt „Pantheist“ in dieser Stimmung sehr langsam, der Einsatz der Gitarren und einer Maultrommel zieht sich dahin, eine sehr ruhige und entspannende Atmosphäre.... Doch mit der Zeit werden die Paukenschläge härter, die Akustikgitarre spielt schneller und für Agalloch typische, berauschende Chöre setzen ein. War die EP bisher schon wunderschön, so folgen nun die beiden stärksten Songs des Albums (übrigens mit den einzigen echten Vocals des Albums, wenn man von den Chören absieht): Ich sag mal Akustikgitarre und Akkordeon – typischer geht es ja fast nicht mehr führ einen Folksong der Extraklasse. Und genau das ist „Birch White“ geworden : Eine mitreißende Melodie mit minimaler Instrumentierung umgesetzt. Dazu geraunter Sprechgesang, der aus der sehr beschwingenden Melodie ein Motiv der Sehnsucht zaubert und den Hörer dazu verleitet, immer und immer wieder zurückzuskippen. Aber bloß nicht ! Denn „Sowilo Rune“ ist schließlich ein hinreißender Traum aus Akustikgitarre, Piano, etwas sphärischer Key-Untermalung, Rasseln und heiserem Flüstern. Wer sich noch an „The Lodge“ erinnert, einem Akustikstück auf dem Album „The Mantle“, der kann erahnen, welche starken Emotionen hier geweckt werden – immer größer wird die Kraft der Melodie, Streicher und E-Gitarre reizen auch noch den letzten Funken Emotionen hervor bevor Samples das Lied beenden : Zum Heulen schön! „Summerisle Reprise“ beendet die halbe Stunde mit leisen Tönen und (der Titel lässt es erahnen) einem Aufgreifen der Melodie des ersten Liedes. Diese wird dann aber nur durch ein Piano immer mehr verändert, verlangsamt um schließlich entgültig zu verstummen. Ende. „The White EP“ ist eine Folkscheibe – auch wenn E-Gitarre, E-Bass und Keyboards immer wieder begleiten und mehr oder weniger in den Vordergrund rücken, so ist doch die akustische Fraktion ausschlaggebend für die dichte und sanfte Atmosphäre, die in so kurzer Zeit geschaffen wird. Doch so schön diese halbe Stunde war, so muß ich doch ihren einzigen Nachteil ansprechen: Der Einkauf gestaltet sich gar schwierig, denn in Deutschland (Europa?) ist die EP nicht erschienen und man muß sich leider an Importhändler, eBay oder amerikanische Mailorder wenden. Und da sich auf der myspace Präsenz der Band nur ein Lied der EP findet („Birch black“) ist es ein ziemlicher Blindkauf und man sollte es sich wirklich gut überlegen, ob es einem das wert ist: Freunde von Agalloch (in ihren folkigen Momenten) und alle, die Folk einfach lieben dürfte kein Stein und kein Ozean davon abhalten, an dieses Teil zu kommen. Allen anderen wird dieses Juwel aber wohl nie unter die Ohren kommen und das ist einfach nur schade. Der Grund, warum die „White EP“ dann doch nur 5,5 Punkte bekommt? Musikalisch eine klare 6 (7, 8, 9..... ich liebe Agalloch) aber für eine halbe Stunde Musik so viel Aufwand betreiben zu müssen und Schweinegeld zu bezahlen (denn die EP ist auf 2000 Stück limitiert und dementsprechend teuer bei Auktionen) darf einfach nicht mit voller Punktzahl honoriert werden.