In Sachen Musik fielen mir beim Stichwort Südafrika bisher, wie wohl den meisten Europäern, als erstes rituelle afrikanische Trommeln oder seit der letzen Fußball-WM vielleicht das unerträgliche Tröten der Vuvuzelas ein. An elektronische Klänge aus dieser Ecke hätte ich zuletzt gedacht, bis ich durch Zufall auf Acretongue stieß, deren Demo „Nihil“ (kostenlos bei bandcamp zu haben) mich auf Anhieb zu begeistern wußte. Umso mehr freut es mich deshalb, daß Nico J., der Mann hinter Acretongue, inzwischen mit Dependent ein Label gefunden hat, auf dessen Samplern „Septic VII“ und „Septic VIII“ bereits Kostproben veröffentlicht wurden. Und jetzt endlich dreht sich das offizielle Debut „Strange Cargo“ bei mir in Dauerschleife... ... ohne sich im Geringsten abzunutzen. Das allein ist schon bemerkenswert. Noch bemerkenswerter ist allerdings, daß es heutzutage anscheinend einer Reise um den halben Globus bedarf, um endlich mal wieder ein neues Elektroprojekt zu finden, das abseits stupider Tanzflächenkracher agiert. Damit habe ich zwar das Fazit vorweggenommen, aber das mußte einfach raus. Was keinesfalls heißen soll, daß die vorliegende Scheibe nicht auch einige potentiell clubtaugliche Stücke, wie beispielsweise „Flowers In The Attic“ oder „Orphans Affinity“ bereithalten würde. Dennoch richtet sich der Fokus auf etwas anderes, nämlich, um es mit Nico's eigenen Worten zu sagen, auf: „...a perception of situations & observations, and the interpretation of those situations and observations in a musical way...“. Will heißen: Eben kein schnell zusammengeschustertes Irgendwas, sondern jede Note, jeder Effekt wurde in 4 Jahren Produktionszeit wohlüberlegt platziert. Die Mühe hat sich definitiv gelohnt, denn im Ergebnis baut jeder Track seine eigene Atmosphäre auf, nimmt den Hörer mit in eine Welt, die zwar grundsätzlich von dunklen Stimmungen geprägt ist, jedoch mit den eingängigen Melodien, der trotz allem straff arrangierten Rhythmik und dem, wenn überhaupt, nur dezent verfremdeten Gesang, eine feine Balance aus Melancholie und Dynamik hält. So entsteht ein dichtes, individuelles Tongeflecht, das Kopf und Herz gleichermaßen anspricht... ... und wahrscheinlich noch in ein paar Jahren in den Player wandern wird. Wer auf intelligente, außergewöhnliche synthetische Klänge steht, wird mit Acretongue glücklich werden. Wer im Allgemeinen genug von "BumBum"-Einerlei hat, sollte „Strange Cargo“ unbedingt antesten und wer bereits die „Nihil“ mochte, sollte sich von der musikalisch ein wenig leichter zugänglichen Aufmachung des aktuellen Albums nicht täuschen lassen. Wie meistens offenbart sich die Tiefe erst auf den zweiten Blick und der sei hiermit dringend empfohlen.