Wenn ich hier schreibe, dass vorliegende Scheibe von selbsternannten "satanist/anarchist electro-industrial chaos mongern" stammt, die ihre Inspiration aus dem Themenfeldern Antireligiosität, dem Bösen, Magie und dem sozialgesellschaftlichen Zusammenbruch schöpfen, dann schnallt man sich schon einmal an. Ob nun in vorfreudiger Erwartung von etwas ganz Großem, plakativ Billigem oder zumindest einer Schmunzelgarantie - die vollmundigen Worte des Labels auf der Bandcamp Page und Vergleiche zu alten Heroen wie Front242, Skinny Puppy und FLA schüren die Vorfreude auf elektronische Kost alter Schule oder einem trashigen Reinfall. Da ich arge Zweifel an einer umwerfenden Wundertüte wunderbar nostalgischer Elektrokost hatte, die diesen Versprechungen gerecht werden kann, hoffte ich zumindest auf eine gute Zeit. Hab ich auch irgendwie bekommen.

Zunächst muss ich gestehen, dass es mir quasi vollkommen Wumpe ist, was da thematisch seziert wird in den härteren (in diesem Fall elektronsichen) Musikgefilden, da mir in den meisten Fällen das Ergebnis der inhaltlichen Konzeptarbeit reichlich banal erscheint, sowohl lyrisch und kreativ. Letztendlich muss man einen Grund finden, warum man so schlecht drauf ist. Ein Album über Serienmörder, Selbsthass, übersinnlichen Gruselwusel, Krieg oder eben Satanismus - es ist egal und innovativ wie ein Jägerschnitzel. Selten haben Bands wirklich etwas zu sagen, sie eher schlecht als recht ab, was abzuhaken ist um die Beats mit Vocals zu füllen und zu begründen, warum sie solche Musik machen. Weiter also mit dem viel wichtigerem: Sound und musikalische Ideen.

Der Amerikaner Matt Auxier orientiert sich deutlich an eher späte 80er, analoge Soundlandschaften, geradlinige und dumpfe EBM Strukturen und düstere Keyboardmelodien. Dazu kommt noch verzerrte Vocals und einige recht gut eingebaute Samples und fertig ist die Retroschlacht. Ich würde Front Line Assembly auch durchaus als Vergleich beibehalten, am ehesten kommt mir aber der Sound der ersten Leæther Strip Veröffentlichungen in den Sinn oder die Demos von :wumpscut: und Suicide Commando. Ab und an noch ein paar wüst verzerrte E-Gitarren Riffs wie in "Seed of despair" reingeworfen und der Genießer dieser Ausrichtung düster elektronischer Musik kann sich durchaus wohlfühlen. Doch so klingen wie die großen Vorbilder ist nur eine Teiletappe. Für den vollen Genuss sollten die Melodien/Ideen reißerisch wiedererkennbar sein und in diesem Punkt kann mich Auxier mit seinem Debüt nicht wirklich überzeugen: Nahezu alle Songs lassen mich irgendwie kalt. Wir erinnern uns an spezielle Bands aus diesen Zeiten, weil sie Lieder schrieben, deren Melodien oder Sounds sich in den Gehörgängen festkrallten oder weil sie die ersten waren, die diese Sounds hervorbrachten. Die Masse an Projekten, die es später nie schafften, langlebige Hits zu schreiben und ehrlicherweise auch all die Titel der alten Helden, die nicht zu Klassikern wurden und deren Masse die Anzahl der Hits bei Weitem übertrifft - es gibt einen Grund, warum dieser düster-elektronsiche Trend irgendwann endete und heute nur noch wenige Bands erfolgreich diesen Sound am Leben halten. 'The third estate' ist kein schlechtes Album und ich gestehe, dass ich nach einem stimmungsvoll nostalgischen Intro und dem wirklich gelungenen "Unclean" voller Hoffnung war, aber quasi der komplette Rest rauscht immer wieder an mir vorbei, in einem Tanztempel könnte ich ein Bein riskieren, wenn ich sowieso schon auf der Tanzfläche stehen würde - aber welche Gruftidisko spielt noch diese Form von Elektro? Ich bin nicht genervt von 6th circle, ich bin solide unterhalten aber eine Kaufempfehlung klingt irgendwie anders, oder?

Matt Auxier lässt den Sound alter Tage gekonnt aufleben und vorliegendes Debüt könnte auch glatt aus dem Jahre 1989 stammen. Jedoch bin ich mir nicht sicher, ob wir in einem solchen Fall das Album in Erinnerung gehalten hätten, denn zu keinem Zeitpunkt können die Melodien überzeugen oder ein Alleinstellungsmerkmal erkannt werden. 'The third estate' macht eigentlich nur Lust, sich mal wieder ans Regal zu stellen und alte Klassiker hervorzukramen und aufzulegen.