Daß aus CDs, deren erster (Hör-)Eindruck verheerend ist, im Laufe der Zeit echte Dauerbrenner im heimischen Player werden können, hat sicher jeder schon einmal erlebt. Zweifelsohne - bisweilen sind die Werke, mit denen Musiker ihre werte Hörerschaft anstrengen, derart sperrig und wenig eingängig, daß es ein paar Durchläufe braucht, deren Qualität und Potential zu erkennen. Weit seltener indes sind Werke, bei denen die Dinge hier genau andersherum liegen, deren erster Eindruck kaum zu überbieten ist, die sich aber im Laufe der Zeit schnell merklich abnutzen und spüren lassen, daß hier das vermeintliche musikalische Genie letztlich auch nur mit Wasser kocht. "Deathawaitsyouwithopenarms", der aktuelle Veröffentlichung von Leander Körfer alias 1972, wird die wenig große Ehre zuteil, sich dann doch irgendwie in zweiterer Gruppe wiederzufinden, als ein Album, welches, um das Fazit schon einmal vorwegzunehmen, zwar beileibe nicht schlecht ist, aber auch in mancherlei Hinsicht nicht zu halten vermag, was man sich davon versprechen könnte. Im Falle von "D.A.Y.W.O.A." schraubt schon das exzellent gestaltete, vollfarbige Cover in einer DVD-Box die Erwartungen in die Höhe, noch bevor die beidseitig schwarz schimmernde CD das erste Mal Gelegenheit hatte, ihre akustische Wirkung zu entfalten. Auch der beiliegende Presse-Flyer liest sich sehr gut: Ganz offensichtlich ist 1972-Leander ein Zeitgenosse, der mit offenen Augen und offenem Geist durch die Welt unserer Zeit geht, sich Gedanken über die Dinge macht, die er sieht und erlebt, und der auch nicht zögert, diesselben weitreichend musikalisch zu verarbeiten (worin wohl die Erklärung zu finden sein dürfte für Songtitel wie etwa "tv god"...). In dieser Hinsicht verschafft sich 1972 Sympathiepunkte schon im Vorfeld und sorgt dafür, daß der Druck auf die "Play"-Taste mit einiger Neugier auf das geschieht, was in den folgenden, imposanten 79 musikalischen Minuten geschehen möge... Was diese betrifft, sollte man sich (wie sich in mehreren nächtlichen Sitzungen gezeigt hat) in der Tat den Hinweis auf dem Back-Cover zu Herzen nehmen, das Album sinnvollerweise bei Dunkelheit mit Kopfhörern zu erforschen; Kerzen und optional Räucherstäbchen können auch nicht fehl am Platze sein, wenn es darum geht, die Atmosphäre der Musik zu intensivieren. Und an Atmosphäre herrscht kein Mangel bei dem, was Herr Körfer auf seinem dritten Album akustisch so treibt und was man in weitestem Sinne gerade noch mit "Ambient" beschreiben kann, Ambient mit einem industriellen Touch, reichlich verquer und verstörend. Im Wesentlichen besteht "D.A.Y.W.O.A." eigentlich aus Samples, die, verfremdet, verzerrt, ineinander übergehend, miteinander verschmelzend, Songs wie "black emperor", "...with open arms" oder "tv god" formen, die in dieser Form die perfekte tonale Untermalung bilden könnten wahlweise für einen finsteren Science-Fiction - Streifen oder ein bizarres Computerspiel. In dieser Weise eingesetzt, ist 1972 Kino für den Kopf, generieren die Tracks, die Samples und irritierenden Feedbacks Bilder Bilder vor des Hörers innerem Auge, die allesamt alles andere als erbaulich sind... So weit, so gut. Eigenartig ist insofern eigentlich nur, daß das Werk, bei Tageslicht "betrieben", nicht den Bruchteil dieser Wirkung zu erzielen vermag. Dann merkt man: In der Tat, das Album besteht fast ausschließlich aus Samples. Das ist grundsätzlich nicht schlimm, hat allerdings im Falle von 1972 mehr als einmal die negative Wirkung, daß die Tracks inclusive der "beabsichtigten Störgeräusche" (ähem...) bisweilen eben auch nur wie eine Ansammlung mehr oder minder willkürlich zusammengeklebter, spärlich mit Rhythmus-Parts unterlegter Klangfetzen wirken, wie das Rohmaterial, welches mit eigenen musikalischen Stilelementen zu einem homogenen, interessanten Ganzen aufzupolieren eigentlich des Musikers erklärte Aufgabe sein sollte. Dann, nach ein wenig mehr Arbeit an den Tracks, würde die Musik vielleicht auch etwas vielschichtiger, detailreicher wirken, als das derzeit der Fall ist, wäre es einfacher, den 13 Tracks etwas mitzugeben, woran man die Songs zu unterscheiden vermag, was vielleicht sogar das eine oder andere Stück dauerhaft in Erinnerung halten könnte... Final bleibt also festzuhalten, daß "D.A.Y.W.O.A." ein Album ist, welches (a) in geeigneter Situation durchaus Atmosphäre aufbauen und reichlich beklemmende Stimmungen erzeugen kann, aber (b), um es positiv zu formulieren, durchaus noch einiges an Raum für musikalische Verbesserungen läßt. Insofern neige ich guten Gewissens zu viereinhalb von sechs Zählern; Nachtschwärmer mit Hang zu Ambient, Industrial und experimenteller Musik dürfen durchaus ein Ohr riskieren und sich auch gern mit einem Zehner für die erstklassig aufgemachte Scheibe an den Musikus selbst wenden...