Khalid Ax, der hinter dem Projekt A-X-AMUN steht, ist das Kind ägyptischer Eltern mit amerikanischen Wurzeln. Der 1985 im malerischen Mosbach geborene Künstler schickt sich nun an von Würzburg aus die düstere Musikwelt zu erobern. Bereits im Alter von 6 Jahren begann er Klavier zu spielen und entwickelte seine Leidenschaft für Musik. Die ersten Texte verfasste Khalid im Alter von 16 Jahren und beschäftigte sich mit dem Thema Komposition. Zunehmend entdeckte er die Vorzüge der elektronischen Musik, da er die geschaffenen Eigenkompositionen mithilfe von Musikprogrammen in die entsprechenden Bahnen lenken konnte. Im Jahre 2017 nahm das Projekt A-X-AMUN Gestalt an. Mit "Origin" erscheint nun das erste Album. Hierbei unterstützten ihn viele befreundete Musiker, wie Alyx Elaine Weaver, Leon Xero und Abdullah Negm. Für die Veröffentlichung zeigt sich das Traditionslabel "Danse Macabre" verantwortlich, welches 1989 von keinem Geringeren als Bruno Kramm (Das Ich) gegründet wurde. Bereits nach dem Hören der ersten Demos war klar, dass er ein Album des Projektes herausbringen wird. Na dann, starten wir das virtuelle Tape...

"Abyss of Mind" lädt uns musikalisch ein in die Welt von A-X-Amun einzutreten. Durch die hypnotische Instrumentierung wirkt es tatsächlich, als ob man in ein unbekanntes, dunkles Haus eintritt, um vorsichtig die verotteten Flure und knirschenden Treppen zu erkunden. In jedem der alten Zimmer lauert eine andere Kreatur welche, teils zuckersüß lockend, teils bösartig zischend, zum Näherkommen auffordert. Und immer ist da das Gefühl, dass etwas unglaublich Bösartiges im Innern der Wände haust. Aber irgendwann bin ich von dem sonoren musikalischen Gewand derart verwirrt, dass ich den Ausgang nicht mehr finde. Jetzt ist es zu spät...  "Bothered" begegnet mir als erstes, es stapft mutwillig durch einen zerfallenen Korridor. Dabei kitzelt ein Syntheziser derart fordernd an den Nerven, dass ich die unterschwellig wahnwitzige Melodie im Mittelteil förmlich als Erholung wahrnehme. Das ist eine frohlockende Boshaftigkeit, der ich mich nicht entziehen kann. Orientalisch stimmt mich das Intro zu "M1nd7ap3" auf den Song ein. Nur, dass ich kurz darauf von einem Growl in den electrolastigen Beat gestoßen werde. Der gesamte Song ist von orientalischen Anleihen durchzogen, die perfekt mit der Elektronik harmonieren. Hier blitzt das Einzigartige und Aufregende an A-X-Amun zu Tage. Es ist unglaublich, wie viele Stimmungen Khalid in einem Lied vereinen kann. Mal ganz davon abgesehen, das der Track im Ohr bleibt, stellt er auch eine nicht abzulehnende Tanzaufforderung dar. Bei "Upgrade" gesellt sich eine E-Gitarre vordergründiger ins Geschehen und die orientalischen Sounds wirken wesentlich verspielter und abwechslungsreicher. Stellten die Elemente im Lied vorher noch die positive Aufhellung dar, wirken sie hier wesentlich gefährlicher. Die Marschmusik ins Dunkle. Und ich merke es nicht einmal, denn die gespaltene Zunge flüstert mir ständig in mein Ohr. Klassisch, wie in einem Horrorfilm drängelt sich nun "This little Piggy (Has killed itself)" an meine Seite. Eine Spieldose aus der Hölle klingt zu nervenaufreibenden Geräuschen aus einem verfallenen Raum. Irgendwo darüber schwebt der Synth eines Schlangenbeschwörers, vom Dachboden kommend. Langsam wird der Boden weicher und ich versinke immer tiefer im Dunst. An der perfekten Stelle meiner Hoffnungslosigkeit reißt mich nun der nächste Titel an der Schulter. Fast gehässig sagt mir die Stimme in "Paranoid": "Du bist dabei den Verstand zu verliern". Ja, ich glaube es auch, aber hier will ich nicht aufhören. Moment, ist das Klingeln da in der Höhe real, oder vielleicht auch nur eingebildet?  "The Seven" startet mit einem Phasensound und ähnelt einer irren Karusselfahrt, in der die Stimme immer wieder zur besagten 7 zählt. Hier passiert unglaublich viel links und rechts. Die Produktion hätte dem Drum ruhig mehr Druck verleihen können. Aber dieser kommt nun in "Vasall". Im Gegensatz zum bisherigen Album macht Khalid Ax hier die rockige Speisekammer auf. Im Song spielen Synths eine untergeordnete Rolle und das ist gut so. Der Titel drückt nach vorn und der Growl, wie auch der Einsatz der Doublebassdrum machen jeder Metal-Kombo Konkurrenz. Hier ist nichts hintergründig, das ist pure Aggression. "Detonate" schlägt, wenn auch etwas ruhiger in dieselbe Kerbe. Mich empfängt tiefer Metal-Gitarrensound. Hilflos versuch mich ein Violinenstring wieder herauszuziehen, während die tiefe Stimme stetig ins Dunkle treibt. Wahnsinn und Schwere ist überall. Ich lasse mich einfach fallen und schwimme auf der Welle, weil mir alle Kraft fehlt, mich zu erheben. Die Musik zieht mich mit, es ist so einfach sich zu verlieren. "S.D.S." peitscht mit seiner klaren, elektronischen Aufgeräumtheit wieder nach oben und rotzt mir einfach ins Gesicht. "Sklaven des Systems" haben hier nichts zu lachen, denn einfach läuft hier gar nichts. Unverständig stehen sie, wie leere Hüllen in der Eingangshalle und glotzen dröge in die fast blinden Spiegel an den Wänden. Hämisch räumt der Titel mit der Angepasstheit auf und zieht allen Gleichgeschalteten die Nase. Und doch stampft alles dazu im EBM-Gleichschritt. "Cycle of Survival (feat. Aly-X)" beginnt getragen ruhig. Khalids Stimme führt in einen sich wellenbewegungsartig aufbäumenden Drumpart. Dabei versucht die Stimme Aly-X`s immer wieder die Aggression zu binden. Dies gelingt jedoch nicht und so führt uns der dunkle, beklemmende Song langsam um die Ecke, was verbirgt sich dahinter? Wieder nur ein neuer Flur, oder doch eine Tür am Ende? Der schleppende Rhythmus von "Blinding Soil" kehrt unterschwellig zu den hypnotischen orientalen Synths zurück, die ich derartig bereits vom Beginn kenne. Dann verbindet das Arrangement diese geschickt mit einem eher im Rock verorteten Drumpart. Die Stimme schwingt sich immer mehr auf, während im Hintergrund ein höllischer Chor atonale Kanons anstimmt.  Da ist Licht, ein Spalt, da ist der Notausgang. Die Stimmen kreischen in meinem Kopf, als es mir gelingt das Haus zu verlassen. Ich bleibe erstmal stehen, vollkommen überwältigt von der Flut der Eindrücke.

Wer meine Rezensionen kennt, der weiß, dass ich gelegentlich in Bildern spreche. Sei das zu einzelnen Songs, oder gar zu ganzen Alben. Hier ist es nun so, dass sich beim Hören von "Origin" eine Szenerie vor meinem geistigen Auge entfaltete, die sich am Ehesten mit dem oben Beschriebenen darstellen ließ. Sicherlich waren auch das Albumcover, sowie die gut gewerkelten, allesamt eigenproduzierten Videos zu "Detonate", "SDS", "M1nd7ap3" und "Upgrade", welche auf der Youtube-Seite von A-X-AMUN zu finden sind, an der Phantasiebildung nicht unbeteiligt. Aber, was macht ein altes Haus aus? Es birgt die unglaublich morbide Faszination, ein wenig Anteil am vergangenen Leben von anderen zu haben. Die Verlockung gefahrlos in den verstaubten Erinnerungen zu wühlen und eine perverse Neugier an den Tag zu legen. Aber was ist, wenn das doch nicht folgenlos bleibt und da etwas lauert und dich anspringt? Aber, was muss ein Album können, um die Tür zur Phantasiewelt zu öffnen? In diesem Fall ist es so, dass Khalid Ax es versteht, aus einer unglaublichen Bandbreite verschiedener Musikstile zu schöpfen und diese miteinander zu verbinden. Zählen doch zu seinem Einflüssen unter anderem Bands wie Pink Floyd, The Doors, Marilyn Manson, Rob Zombie, Combichrist und Cradle of Filth. All diesen ist, neben dem Musikalischen, eine teils morbide Visualisierung zu eigen. Das Ergebnis der Kombination dieser Einflüsse mit einem gehörigen Eigenpotential wirkt zu jeder Zeit stimmig und wird an der jeweils perfekten Stelle des Albums eingesetzt. Gerade diese Stimmung ist wichtig, um den Hörer nicht zu verlieren und ihm die Möglichkeit zu geben das Album zu erleben. Die Intentionen, die hinter den einzelnen Kompositionen stecken, können dem Hörer nicht erfahrbar gemacht werden. Das sind eben jene Erinnerungen, die nur dem längst vergangenen Hausbewohner vorbehalten bleiben. Diese fremden Erinnerungen ermöglichen dem Hörer jedoch die Kombination mit den eigenen Erfahrungen. Und schon hat man die Phantasie angeregt. Nicht zuletzt ist das Album "Origin" handwerklich sehr detailreich und gekonnt produziert. An der ein oder anderen Stelle hätte ich mir vielleicht etwas mehr Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten gewünscht. Als Beispiel führe ich hier "The Seven" an, dass noch ein wenig weiter über seine Grenzen hinaus hätte gehen können. Der Gesang ist ebenso facettenreich wie die Musik. Hier wird geflüstert, gewispert, geshoutet, gegrowlt, gesungen und gesprochen. Alles ist jeweils sehr aufregend eingesetzt und verleiht dem Ensemble die zusätzlichen Feinheiten. Das dabei ab und an mal ein Tönchen danebengeht, geschenkt. Dadurch wird die Produktion nur ehrlicher. Ich bin wirklich gespannt, wie sich das dann live präsentieren wird. Bis es soweit ist, arbeitet Khalid, gemeinsam mit Chris Waluga bereits am Nachfolgealbum. Wem empfehle ich nun "Origin"? Das Album ist etwas für jeden, der bereit ist über selbst errichtete Genregrenzen hinaus zu blicken und sich auch auf musikalische Experimente einzulassen. Zwar gibt es auch viele Titel, die sich ganz klar einem Genre zuordnen lassen, aber für das gesamte Album gilt das auf keinen Fall. Ich rate also sich beim Probehören nicht auf einen Titel zu beschränken, sondern mindestens 3 - 4 anzuspielen. Dies ist ein beachtlicher Erstling, der unglaublich Lust auf mehr macht. "Origin" erscheint am 19.03.2021 auf CD und als Download.

Anspieltipps: M1nd7ap3, This little Piggy (Has killed itself), Detonate, Blinding Soil